Kakaokrise – warum Schokolade immer
teurer wird
Klimawandel und Spekulanten sorgen für düstere Aussichten
Text:
Alexander Kuhlmann
Photography:
© EcoFinia GmbH
19 September 2024
Dürreschäden, Baumkrankheiten, Spekulanten: Die Kakaobohnen werden knapper und die Kakaopreise explodieren. Das trifft vor allem kleine Schokoladenhersteller wie uns, die auf fairen und ökologischen Kakaoanbau setzen. Schokofans drohen höhere Preise, vielleicht sogar leere Regale. Unser Geschäftsführer Gerrit Wiezoreck erklärt im Interview, was Extremwetter, Monokulturen und Spekulanten mit der aktuellen Kakaokrise zu tun haben – und was Hersteller dagegen tun können.
VIVANI
Gerrit, warum wird Schokolade immer teurer?
Gerrit Wiezoreck
Die Nachfrage nach Kakao steigt seit Jahren, während das Angebot sinkt. Letztes Jahr fiel rund ein Drittel der Ernte in Westafrika aus – von dort stammen über 70 Prozent des weltweiten Kakaos. Das sorgt für eine Verknappung auf dem Weltmarkt und lässt die Kakaopreise explodieren. Für uns ist es besonders hart: Unsere Marke VIVANI ist ja bekannt für hochprozentige Tafeln mit besonders hohem Kakaoanteil.
VIVANI
Aber der VIVANI-Kakao kommt doch aus Lateinamerika, vor allem aus der Dominikanischen Republik?
Gerrit Wiezoreck
Das stimmt. Wir arbeiten dort in Form von langfristigen Partnerschaften mit kleinen Bio-Kooperativen, denen wir eine faire Bezahlung zusichern. Aber viele große europäische Hersteller versuchen jetzt, den fehlenden Kakao in Lateinamerika aufzutreiben. Sie fahren dort einzelne Farmen per LKW an und kaufen den Bio-Kakao direkt "an der Straße" ab, der eigentlich vertraglich uns zugesichert war. Verschärft wird die Krise durch Spekulanten, die an der Börse ordentlich mitverdienen wollen. Zudem wirkten sich Wetterphänomene wie "El Niño" - zusätzlich verstärkt durch den Klimawandel - auch in Lateinamerika negativ auf die Ernteerträge aus.
VIVANI
Und warum gibt es Schokoladenanbieter, die ihre Preise halten können?
Gerrit Wiezoreck
Die meisten großen Hersteller haben riesige Lager, aus denen sie noch schöpfen können. Und durch die großen Mengen, die sie produzieren, fallen höhere Rohstoffpreise anteilig weniger ins Gewicht. Zumal viele Schokoladen ja ohnehin nur sehr wenig Kakao enthalten. Wir kleinen Schokohersteller hingegen produzieren meist direkt, ohne große Lagerzeiten. Das heißt, wir sind jetzt händeringend auf der Suche nach guten Bio-Bohnen – und müssen dafür deutlich mehr bezahlen. Diese Mehrkosten werden wir leider auf unsere Produkte umlegen müssen. Die meisten Schokoladenhersteller werden in der nächsten Zeit ebenfalls handeln müssen.
VIVANI
Warum gibt es aktuell die Probleme im Kakaoanbau?
Gerrit Wiezoreck
Kakaobäume sind sehr wettersensibel. Durch die Klimakrise kommt es häufiger zu längeren Dürre- und Regenperioden. Und weil der Preis für konventionellen Kakao aus Westafrika in den letzten fünf bis sieben Jahren sehr niedrig war, hatten die dortigen Farmer kaum Möglichkeiten in die eigenen Plantagen zu investieren. Hinzu kommt: Konventioneller Kakao für den Massenmarkt wird in Monokulturen angebaut. Die Bäume stehen dort dicht an dicht in Reihen, ohne den Schutz durch andere Gewächse. Das macht sie anfälliger für Pilzkrankheiten und Wetterschäden.
VIVANI
Wie hoch ist der Kakaopreis denn aktuell?
Gerrit Wiezoreck
Der Kakaopreis ist gegenüber dem Frühjahr 2023 zwischenzeitlich um über 200 Prozent gestiegen. Derzeit pendelt sich der Preis pro Tonne bei ca. 7.000 US-Dollar ein. Das sind immer noch 5.000 Dollar mehr als im Vorjahr. Bei unseren Schokoladen machen die Rohstoffe mindestens 50 Prozent der Herstellungskosten aus. Was das für eine Schokoladentafel bedeutet, die mindestens 70 Prozent Kakao enthält, kann man sich leicht ausrechnen.
VIVANI
Wird es auch wieder bessere Zeiten geben?
Gerrit Wiezoreck
Das kommt vor allem auf die Kakao-Ernten der nächsten Jahre in Westafrika an, die einen Großteil des weltweiten Bedarfs decken. Bleiben sie so unergiebig wie aktuell, muss man zukünftig mit deutlich höheren Schokoladenpreisen rechnen. Ein weiteres Problem ist der zerstörte Baumbestand. Ein Kakaobaum braucht ca. 5-6 Jahre, bis er die ersten Früchte trägt. Einen vollen Ernteertrag liefert er erst mit 10 Jahren. Aber auch bei besseren Ernten werden die Preise für Schokolade sicher nicht wieder auf ein so niedriges Niveau wie vor einigen Jahren sinken. Gute Schokolade kann und darf aber auch nicht so billig sein wie eine Tüte Zucker. Es wird sich noch jeder Schokolade leisten können – aber man wird sie dann wesentlich bewusster genießen müssen.
VIVANI
Warum mache ich mit dem Kauf einer Bioschokolade automatisch vieles richtig?
Gerrit Wiezoreck
Die Rohstoffe, die in Bioschokolade zum Einsatz kommen, stammen generell aus Mischkulturen (wie auf unserer Partner-Finca Rincon De Molenillo / Bild unten). Diese sind wesentlich besser gegen den Klimawandel gewappnet als Monokulturen. Durch die hohe Biodiversität – also den Reichtum an vielfältigen Pflanzenarten – sind die Kakaofarmen widerstandsfähiger gegen extreme Wetterphasen. Der größte Teil des westafrikanischen Kakaos wird allerdings in Monokulturen angebaut. Bei Extremwetterlagen – wie beispielsweise langen Dürreperioden – sind schlechte Ernten vorprogrammiert. Außerdem ist der Baumbestand in solchen Phasen wesentlich anfälliger für Krankheiten. Dieses Szenario erleben wir aktuell.
Wie im Interview deutlich wurde, hat die derzeitige Kakaokrise vielfältige, zum Teil sehr komplexe Hintergründe. Wer mehr darüber erfahren möchte und verstehen will, warum Schokolade über Jahre hinweg im Grunde viel zu billig war, dem legen wir unseren großen Investigativ-Report „Kakao – Das neue Gold?“ ans Herz.
Zum Beitrag: KAKAO – DAS NEUE GOLD
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