Kaffee & Schokolade: Vom Genussgut zur Massenware

From Bean to Bean – Teil 2

Text:
Katharina Kuhlmann

Photography:
istock DeanDrobot, Stephen Wells

6 Oktober 2016

Im ersten Teil unseres Themenmonats „From Bean to Bean“ haben wir uns mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen Kaffee und Schokolade in Hinblick auf Kultivierung, Produktion und Endprodukt befasst. Heute geht es um die Genießerszenen auf der einen und die unbedachten Konsumenten auf der anderen Seite. Was bedeutet der Massenkonsum für unsere Umwelt? Wie können Konzepte wie Bio oder Faitrade helfen, den Problemen zu begegnen? Der dritte Teil des Specials wird sich allein dem Thema Kaffee widmen und euch mit Zahlen, geschichtlichen Facts und Anekdoten zum schwarzen Kultgetränk versorgen.

Was in der Schokoladenwelt ein Chocolatier ist, ist im Kaffeeuniversum der Barista. So ähnlich aber auch wieder nicht könnte man die Parallele zwischen den Gourmetszenen von Schokolade und Kaffees ziehen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sowohl Chocolatiers als auch Baristas ihr Genussmittel künstlerisch in Form bringen, Experten mit viel Erfahrung auf ihrem Gebiet sind und in aller Regel mit ihrem Herzblut für die Sache leben. Ein großer Unterschied besteht jedoch im Ausbildungsgrad der beiden Berufe – oder sollte man besser sagen „Berufungen“? Während der Barista sich sein Wissen durch Kurse, Seminare und Co. erarbeiten muss, übt der Chocolatier als Konditor mit Spezialgebiet Schokolade einen echten, staatlich anerkannten Ausbildungsberuf aus.

Neben dem Ausbildungsgrad kommt auf dem Gebiet des Kaffees ein weiterer, wichtiger Unterschied hinzu. Hier arbeiten nämlich gleich zwei Experten Hand in Hand: der Röster und der Barista. Während der Barista für die künstlerische und geschmackliche Präsentation des Kaffees in der Tasse verantwortlich ist, hat der Röster mit dem Rohstoff Kaffee zu tun und lässt als versierter Aromenzauberer die spannendsten Nuancen in den Bohnen entstehen. Konnte sich der Kaffeeröster bis 1972 ebenfalls noch mit einem anerkannten Ausbildungsberuf rühmen, verhält es sich mit dem Handwerk heute wie mit dem des Barista. Das Hobby wird durch viel Leidenschaft und Probieren zum Beruf, unterstützt von Kursen und Seminaren.

Kaffee & Schokolade: problematischer Massenanbau bedroht die Umwelt

Der Genießerszene auf der einen steht auf der anderen Seite eine breite Masse an Konsumenten gegenüber, die sich nicht oder nur sehr wenig für Herkunft, Anbau- und Produktionsbedingungen ihres Tässchens Kaffee oder ihres Stückchens Schokolade interessiert. Hauptsache: der Preis stimmt! Dabei kann es einem regelrecht den Appetit verderben, schaut man sich beispielsweise die verheerenden Umweltfolgen des massenhaften Kaffee- und Kakaoanbaus an. Da beide Pflanzen im Vergleich zu ihrer Größe nur wenig Ertrag liefern (Kakao jährlich max. 2.000 g Kakaobohnen, Kaffee jährlich 500 bis 1.000 g Rohkaffee), werden riesige Flächen zur Kultivierung benötigt. Diese werden nach ihrer schonungslosen Rodung im problematischen Massenanbau mit Monokulturen bepflanzt, die Tierarten verdrängen, Böden auslaugen und Unmengen an künstlichem Dünger und vor allem auch Wasser schlucken. Denn: Kakao und Kaffee dürfen nicht zu viel Sonne ausgesetzt werden und suchen sich in der Wildnis ganz natürlich ihre Standorte nahe großer Schattenbäume aus. Da sie auf den Plantagen gnadenloser Tropensonne ausgeliefert sind, müssen sie stark bewässert werden, um nicht zu verkümmern. Der sogenannte virtuelle Wasserverbrauch eines Kilogramms Röstkaffee beträgt etwa 21.000 Liter Wasser, der eines Kilogramms Kakaobohnen unglaubliche 27.000 Liter Wasser! Zur Umrechnung: Ein Tässchen Kaffee mit 7 g Pulver aufgebrüht benötigt in der Entstehung 140 Liter Wasser!

Was kann man tun? Die Lösung scheint einfach, kostet den meisten Menschen aber zu viel Geld: Zertifiziert nachhaltig erzeugte Bio-Ware kaufen! Denn: Hier wird auf natürliche Anbauarten wie Mischkulturen und Agroforstsysteme gesetzt. Schattenpflanzen machen das Bewässern unnötig und Flora und Fauna können ganz normal parallel zum Anbau durch Kleinbauern existieren. Wenn gedüngt wird, dann nur vorsichtig und mit natürlichen Stoffen wie z. B. Guano.

Bio ist gut – was ist mit Fairtrade?

Neben den Umweltproblemen des Massenanbaus bringt der intensive Kaffeeanbau auf großen Plantagen leider auch einen weiteren, traurigen Missstand mit sich, der sich bekanntermaßen auch im Kakaoanbau findet: Kinderarbeit. Vor allem afrikanische Länder wie Kenia oder Tansania sind betroffen, aber auch aus mittelamerikanischen Staaten wie Guatemala und Honduras sind erschreckende Ausmaße bekannt. In vielen Ländern sind rund die Hälfte der Arbeiter im Kaffeeanbau Kinder. Da die Ernte oft noch mühsame Handarbeit ist, werden gerne Kinder eingesetzt, die ihren bitterarmen Familien durch einen Hungerlohn das Einkommen etwas aufbessern. Aber auch in den Bereichen Transport und Düngung bzw. Umgang mit Pestiziden sind Kinder tätig, was oft schlimme gesundheitliche Folgen für die Kleinen hat.

Helfen kann, wie auch beim Kakao, die Produktion unter Fairtrade-Bedingungen. Das Siegel macht sich dafür stark, Kleinbauern gerechte Löhne zu sichern, beinhaltet aber auch ein entwicklungspolitisches Konzept. Aufbau von demokratischen Gemeinschaften, Bildung und ökologischer Landbau gehören neben vielen weiteren Inhalten mit dazu.
Aber in den letzten Jahren mehren sich auch immer mehr Stimmen, die Fairtrade als undurchsichtiges Konzept kritisieren. Verschiedene Siegel sind in Gebrauch, angelegt mit jeweils anderen Kriterien. Es gibt Stimmen, die Fairtrade-Kaffee als extrem uneffektives Mittel zur Armutsbekämpfung brandmarken. Andere Studien beweisen das Gegenteil. Eine große Diskussion – in die wir uns an dieser Stelle nicht einklinken können. Fakt ist: Es gibt bereits ein Gegenmodelle zum Fairtrade, das sich als Direct Trade bezeichnet. Hierbei ist der Handelspartner des Kaffeerösters nicht die Kaffeekooperative, sondern die Bauern direkt. Der Röster schaut sich in aller Regel die Produktion vor Ort an und überzeugt sich von der Qualität. Dadurch haben die Bauern eine direkte Handelsbeziehung und mehr Einnahmen. Der Vorteil für den Röster liegt auf der Hand: Durch die eigene Qualitätskontrolle kann er Spitzenkaffees garantieren. Unter regulären Fairtrade-Bedingungen wird Kaffee in sämtlichen Qualitätsstufen produziert.

Kapselmüll und Co. – zur Verbesserung der Ökobilanz von Kaffee

Durch Siegel wie Fairtrade oder das Direct Trade-Konzept werden also Fairness, Qualität und Umweltschutz in den Anbauländern gefördert. Aber auch die Großkonzerne werden in die Schranken verwiesen und daran gehindert, ihre Macht noch weiter auszubauen. Doch Großkonzerne gehen ebenfalls mit der Zeit und schicken Innovationen auf den Markt, die neue Absatzmärkte erschließen. Ein Beispiel: Superschnelle Kaffeespezialitäten auf Knopfdruck durch Pads oder Kapseln. Während die Pads einfach nur schlecht schmecken und nur selten hergeben, was sie versprechen, sind die kleinen Kapseln tickende Müllbomben. Der energiefressende Abbau des umstrittenen Aluminiums auf der einen summiert sich mit weltweit 12,3 Kilogramm Alu-Kapsel-Müll pro Minute auf der anderen Seite zur regelrechten Umweltsünde. Unter Umweltaktivisten kursiert der Slogan: „Müll hat einen Namen: Nespresso“. Und die Konzerne kassieren. Rechnet man die kleinen Kaffeemengen, die in den Kapseln enthalten sind, auf, verdient der Marktführer rund 60 Euro pro Kilo Kaffee, Discounter noch zwischen 12 und 20 Euro! Ein doppelter Skandal, wenn man die nur mäßige Qualität des Kaffees dagegen abwägt.

Wer also eine gute Ökobilanz in seiner Tasse haben möchte, sollte beachten: Finger weg von Kapselmaschinen und anderem Schnickschnack, wieder hin zu traditionellem Filterkaffee, Frenchpress oder Espressokännchen. Dazu dann noch nachhaltig produzierten Kaffee wählen, am besten Bio. Denn eine 2014er Studie aus der Schweiz ergab, dass die Kultivierung des Kaffees im schlimmsten Falle 70 % der Umweltbelastung des Genussmittels ausmacht. Wird auf Nachhaltigkeit geachtet, kann sich dieser Wert bestenfalls auf gerade einmal 1 % reduzieren. Als Verbraucher kann man demnach viel tun, um wichtige, positive Veränderungsprozesse in der Kaffeeproduktion anzustoßen und mitzutragen.

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