Kakao –
das neue Gold?

Hintergründe und aktuelle Entwicklungen der Kakaokrise 2024

Text:
Katharina Kuhlmann

Photography:
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17 Mai 2024

Seit Ende letzten Jahres gab es die ersten Anzeichen, ab Anfang 2024 ist es leider amtlich: Die Welt steckt in der größten bisher gekannten Kakaokrise und die Preise explodieren. Wie konnte es so weit kommen, wer sind die Schuldigen? Und was bedeutet das für unsere liebste Süßigkeit Schokolade? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten und setzen sich aus vielen Aspekten zusammen. Wir erläutern die Zusammenhänge und erklären ausführlich, was auf uns und Sie als Kund*innen zukommt.

Eine Krise breitet sich aus

Bereits im Dezember 2023 berichteten einschlägige Nachrichtenformate über Kakao-Missernten in Afrika und steigende Preise. In den beiden Hauptländern der weltweiten Kakaoproduktion Elfenbeinküste und Ghana (zusammen über 60 %) gab es vor den Haupternten im Herbst übermäßig starke Regenfälle, die etliche Kakaofrüchte faulen ließen und viele Bäume mit Pilzerkrankungen befielen.

Standen anfangs noch Sorgen wegen verteuerter Schoko-Weihnachtsmänner im Vordergrund, zeichneten sich zu Jahresbeginn 2024 ganz andere Ausmaße der Krise ab. Rasch setzte eine Strategie der pro-aktiven Bevorratung mit Kakaobohnen durch marktführende Schokoladenhersteller ein. Das Ergebnis: Der Weltmarktpreis für Rohkakao stieg ab Februar rasant auf historische Höchstwerte an, was die bislang größte Kakaokrise von 1974 schnell in den Schatten stellte. So erreichte am 30.04.24 die Tonne Rohkakao mit einem unglaublichen Preis von 10.990 US-Dollar einen historischen Höchsttstand – ein Plus von über 367 % im Vergleich zum Vorjahr. Auch wenn die Preise mittlerweile glücklicherweise wieder etwas zurückgegangen sind, lässt sich dennoch erahnen, dass es längst nicht mehr um Schoko-Weihnachtsmänner, sondern um die Existenz einer ganzen Branche geht. Dringend benötigt werden jetzt gute Ernten, damit sich die Situation entspannen kann. Dazu stehen die Vorzeichen allerdings alles andere als gut.

Kakao und Klimawandel

Ein unkontrollierbarer Stressor für das gesamte Kakaosystem ist natürlich der Klimawandel. Allgegenwärtig und mittlerweile auch in unseren Breitengraden spürbar, ist er in den Ländern des globalen Südens bereits seit längerer Zeit eine tägliche Bedrohung. Das Entgleiten der Klimaziele ist in Äquatornähe, wo es immer heißer und das Wasser immer knapper wird, besonders stark spürbar. Die empfindlichen Ökosysteme der hier beheimateten Regenwälder geraten immer mehr in Bedrängnis – und genau hier wächst der Kakaobaum. Und zwar nur hier. Denn die Bäume sind sehr anspruchsvoll und tragen ausschließlich in Äquatornähe Früchte. Lest dazu auch unseren Beitrag „Der Kakaobaum – eine tropische Diva“.

Und als wäre das noch nicht genug, können weitere, nicht unmittelbar durch den Klimawandel bedingte Wetterphänomene die Situation in den tropischen Ländern noch verschärfen, wie z. B. aktuell das El Niño-Phänomen.

Kakao und El Niño

Das Wetterphänomen El Niño tritt in regelmäßigen Abständen im pazifischen Ozean auf. Inwieweit der Klimawandel dieses Phänomen beeinflusst, wird derzeit noch erforscht. Was jedoch eindeutig ist: Durch die Veränderung der Meeresströmungen im Pazifik ereignen sich eine Reihe an Wetterereignissen, die auf sehr viele Regionen der Erde Einfluss haben. Ob massive Trockenperioden, wie aktuell im Amazonasgebiet, oder Stürme und Starkregenereignisse – El Niño stellt das Wetter weltweit auf den Kopf. Ein Schwerpunkt der Auswirkungen liegt auch in den Ländern Lateinamerikas, in denen viel Kakaoanbau betrieben wird. Aufgrund von Stürmen usw. werden hier immer wieder größere Baumbestände zerstört.

Ausbeuterischer Kakaoanbau in Monokulturen

Um den Appetit der Welt nach Kakao stillen zu können, wurde in der Vergangenheit im konventionellen Kakaoanbau auf den Anbau in Monokulturen gesetzt. Doch die vor allem in den afrikanischen Ländern verbreitete Methode steigert die Effizienz des Anbaus nur auf kurze Sicht gedacht. Auf den gerodeten Urwaldflächen wird jegliche Biodiversität vernichtet und verhindert, die Böden werden ausgelaugt, ausgetrocknet und mit Pestiziden und Düngemitteln belastet. Die Kakaobäume, die im Urwald eigentlich im natürlichen Schatten größerer Bäume wachsen, müssen in den ohnehin schon wasserarmen Ländern übermäßig bewässert werden und sind ständig von Krankheiten (siehe Bild) bedroht. Die ungewöhnlich starken Regenfälle des letzten Jahres in Ghana und der Elfenbeinküste zeigen überdeutlich, dass diese fragilen Monokulturen Starkwetterereignissen und dem Klimawandel mit leeren Händen entgegentreten.

Der Fall Ghana

Ein weiteres Problem, das hierzulande nur wenigen Menschen bekannt ist, verschlechtert die Situation in Ghana, dem weltweiten Kakaoerzeugerland Nummer zwei, zusätzlich. Denn hier schrumpft die Anbaufläche für Kakao rasant durch illegalen Goldabbau und Umweltkriminalität. Die Hintergründe sind schockierend: Illegale Goldschürfer, sogenannte Galamsey, überfallen immer wieder Farmen, um in kürzester Zeit den Boden nach dem begehrten Edelmetall zu durchsuchen. Dazu werden die Baumbestände zerstört und die Böden mit Chemikalien wie Cyanid verseucht. Kakaobäuer*innen müssen hilflos zusehen, wie ihre Existenzen vernichtet werden. Manche verkaufen angesichts der aussichtslosen Lage ihre Farmen sogar freiwillig an die Galamsey. Den illegalen Trupps mit ihren gewalttätigen Wachleuten haben auch lokale Behörden nur wenig entgegenzusetzen, weshalb sich das Problem rapide ausbreitet. Bereits vor vier Jahren wurde in einer Studie ermittelt, dass schon mindestens 20.000 Hektar Kakaoanbaufläche durch illegalen Goldabbau vernichtet wurden. Aktuelle Zahlen sind nicht bekannt.

Schätzungen zufolge wird sich die Anbaufläche in Westafrika durch den illegalen Goldabbau, Baumkrankheiten und Klimawandel zukünftig massiv verkleinern. Eine Studie geht davon aus, dass in der Elfenbeinküste bis 2050 mehr als 50 % der Flächen wegfallen werden. Bereits für 2027 wird erwartet, dass Ghana als Anbauland Nummer 2 durch Ecuador abgelöst werden könnte. Es ist wahrscheinlich, dass sich dieser Trend insgesamt durchsetzen und die weltweite Kakaoerzeugung von den ausgelaugten, afrikanischen Anbauflächen Richtung Lateinamerika abwandern wird.

Spekulanten und Bevorratung treiben Krise an

Hatte sich der Kakaopreis durch diese schlechten Voraussetzungen und die geringe Verfügbarkeit bereits verteuert, kamen zu Jahresbeginn 2024 zusätzlich ungünstige Strategien am Kakaomarkt ins Spiel, die das Preisfass sprichwörtlich zum Überlaufen brachten.
Zum einen setzte durch starke Emotionalität getrieben ein Bevorratungsverhalten ein, das die Verfügbarkeit des Rohstoffes Kakao noch einmal künstlich verknappte. Insbesondere große Kakaoverarbeiter und Schokoladenfabrikanten aus Europa mit riesigen Lagerkapazitäten begannen, diese „für schlechte Zeiten“ maximal zu befüllen. Dazu wurde in Lateinamerika, wo die Ernten weit weniger schlecht ausfielen als in Afrika, auch auf Maßnahmen wie ein gezieltes Anfahren von Kakaobauern gesetzt. Durch temporär attraktive Preise wurde hierdurch Kakao sprichwörtlich “auf der Straße” weggeschnappt, was dazu führte, dass Bauern weniger des vertraglich zugesicherten Kakaos an ihre Kooperative abliefern konnten. Dies gefährdet wiederum Handelbeziehungen mit den Kakaoverarbeitern, da bestehende Verträge nicht eingehalten und vereinbarte Erntemengen nicht an die eigentlichen Abnehmer geliefert werden können. Die hinter derartigen Taktiken stehenden europäischen Großkonzerne gehen somit als Gewinner aus dieser angespannten Preissituation hervor.

Zum anderen sorgten Hedgefonds und das massive Auftreten von Spekulanten an der Börse für zusätzlichen Zündstoff und eine immense Verteuerung des Kakaos. Letztere traten zumeist gar nicht mehr als aktive Marktteilnehmer auf, sondern in Form von algorithmengesteuerten Trading Bots. Diese tätigten automatisch ablaufende, blitzschnelle Handelsgeschäfte und boten sich gegenseitig und damit den Kakaokurs an sich in schwindelerregende Höhen.

Die Grafik zeigt die rasante Entwicklung des Kakaopreises innerhalb der letzten zwei Jahre (April 2022 – Mai 2024).

Der Kakaopreis (Stand: 16.05.24) zeigt die rasante Entwicklung innerhalb eines Jahres

Klartext: Schokoladenpreise steigen

Die brisante Situation im Kakaoanbau fällt natürlich auch auf die Verbraucher zurück. Wird Schokolade also wirklich teurer? Unser Geschäftsführer Gerrit Wiezoreck redet Klartext: „Preiserhöhungen sind unvermeidbar. Es stellt sich nicht so sehr die Frage nach dem „ob“, sondern eher die nach dem „wie“ und „wann“. Wir als kleineres Unternehmen beziehen unseren Kakao im Vergleich zu den Big Playern in kleinen Mengen direkt von Farmer*innen aus der Dominikanischen Republik. Unsere Lagermöglichkeiten sind begrenzt, weshalb wir uns nur kurzfristig bevorraten können. Daher werden wir eine baldige Preiserhöhung nicht verhindern können – so gerne wir das natürlich täten. Doch gewiss ist: andere Firmen und Marken werden über kurz oder lang folgen.“

Die Wertsteigerung von Kakao lässt sich nicht mehr leugnen und wohl in nächster Zukunft auch nicht mehr so schnell umkehren. So weiß Wiezoreck aus sicherer Quelle vor Ort etwa auch zu berichten, dass in der Dominikanischen Republik derzeit sogar regelmäßig Einbrüche in Kakaoverteilungszentren verübt und Einkäufer*innen und sogar Farmer*innen überfallen werden, um sich ein paar Säcke des neuen Goldes zu sichern. Diese Vorfälle zeigen neben der Wertsteigerung aber auch noch einen weiteren, traurigen Faktor auf, den die aktuellen Geschehnisse mit sich bringen. Ist der Kakao der dominikanischen Bäuer*innen für diese aktuell so wertvoll, dass er sogar gestohlen wird, ist der Kakao der afrikanischen Produzenten hingegen nur auf dem Weltmarkt unbezahlbar. Dies liegt an der Schutzpolitik der jeweiligen Länder für ihre Anbauer, die sich im sogenannten Farmgate Preis spiegeln. Bei diesem handelt es sich um den von den jeweiligen Ländern festgelegten Mindestpreis, den Kakaoanbauende für ihre Kakaobohnen erhalten. Kommen in Afrika so nur etwa 20 % der aktuellen Preissteigerung bei den Farmer*innen an, sind es in der Dominikanischen Republik etwa 80% – ein unfassbarer Unterschied.

Mehr zum Thema Kakaokrise erfahrt ihr im ausführlichen Interview mit EcoFinia (VIVANI)-Geschäftsführer Gerrit Wiezoreck.

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