Update Kakaokrise:
 Fallende Kakaopreise?                    
Warum Schokolade trotzdem nicht wieder billiger werden kann
Text:
Katharina Kuhlmann                            
Photography:
© Kilian Kuhlmann                            
31 Oktober 2025
 
                In den Medien wird in den letzten Wochen über die deutlich gefallenen Preise am Kakaomarkt berichtet. Ist die Kakaokrise vorbei? Spekulationen machen die Runde, ob vielleicht schon zu Weihnachten Schokolade „endlich“ wieder billiger wird. VIVANI Geschäftsführer Gerrit Wiezoreck erklärt die 7 wichtigsten FAQs zur aktuellen Preislage am Kakaomarkt und beleuchtet die Hintergründe, die bei dieser komplexen Frage nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
1.Die Kakaopreise haben sich aktuell auf einem deutlich niedrigeren Niveau eigenpendelt. Woran liegt das?
Es gibt zwei zusammenwirkende Gründe, die im Frühherbst 2025 innerhalb weniger Wochen zum Fall der Kakopreise um bis zu 1500 USD/Tonne geführt haben. Einerseits gibt es hohe positive Erwartungen an die jetzt anlaufende Haupternte in den westafrikanischen Ländern Elfenbeinküste und Ghana, die deutlich höhere Erträge liefern soll. Andererseits nimmt die Industrie in Europa einen spürbaren Abschwung der Nachfrage im Bereich Kakao wahr – besonders im konventionellen Bereich.
2. Ist die Kakaokrise jetzt vorbei, wird der Rohstoff Kakao nun langfristig wieder billiger?
Nein, die Krise ist damit leider noch lange nicht vorbei. Zum einen ist das Preis-Niveau mit 5.500-6.500 USD/Tonne immer noch sehr hoch (Im Vergleich: Im Frühjahr 2023 lag der Preis noch bei ca. 2.400 USD/Tonne). Zum anderen beruht der derzeitige Preisrückgang lediglich auf Hoffnungen auf eine gute afrikanische Haupternte. Diese kann jedoch auch ganz anders ausfallen. Grundsätzlich nehmen die Qualitäten des Kakaos auch weiterhin ab und schwanken stark.
3. Was müsste passieren, damit die Kakaokrise endlich vorbei ist?
Die Kombination von zwei Faktoren würde die aktuelle Kakaokrise beenden. Auf der einen Seite müsste die Nachfrage weiter sinken. Auf der anderen Seite müssten die westafrikanischen Haupternten der nächsten zwei Jahre überdurchschnittlich stark ausfallen. Dazu bräuchte es aber zugleich strukturell mehr qualitativ hochwertige Anbauflächen.
4. Warum können Schokoladenhersteller trotz guter Ernteprognosen nicht einfach zu den niedrigeren „Vor-Krisen-Preisen“ zurückkehren?
Die Industrie kann sich nur mit günstigerem Kakao eindecken, wenn die Kakaomarktpreise für einen längeren Zeitpunkt stabil tiefer liegen. Dies muss aber auch mit der Erntezyklen zusammenpassen. Ein Beispiel: In der Dominikanischen Republik läuft die Haupternte von Mai bis Juli. Will ein Hersteller diesen Kakao sicher einplanen, muss er zu dieser Zeit gekauft werden. Ist der Preis nach der Ernte dann stark gefallen, wie es aktuell der Fall ist, ist überhaupt kein Kakao aus diesem Land am Markt erhältlich, da die Ernte schon nahezu ausverkauft ist.
Zudem ist es gängige Praxis, dass Kakaopreise und Mengen immer für 6-12 Monate fixiert werden. Zu diesen Preisen befüllen Hersteller dann ihre Lager. Selbst wenn Kakaomarkpreise temporär sinken, können Industrie und Handel daher nicht innerhalb weniger Wochen oder Monate reagieren – die Lager sind bereits gefüllt.
5. Durch die Kakaokrise hat sich das Konsumverhalten verändert. Wird auch Bio-Schokolade weniger gekauft?
Der Konsumrückgang bei Schokolade fällt derzeit deutlich höher im konventionellen Bereich aus, obwohl hier günstige Schokolade immer noch für teilweise unter 2 EUR pro 100 g erhältlich ist. Im Bio-Bereich zeigt sich ein anderes Bild. Trotz vergleichsweise deutlich gestiegener Produktpreise ist der Konsum hier ähnlich hoch geblieben. Diese Konsumententreue hilft den Erzeugenden von ethisch nachhaltigem Kakao und auch den Bio-Herstellern in der Krisenzeit.
6. Bietet ein höherer Kakaopreis auch Chancen?
Die Ursache der Kakaokrise ist ein strukturelles Problem. Starkregenperioden, Dürre und die daraus resultierte Katastrophenernte 2023/2024 waren nur die sprichwörtlichen Tropfen, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Jahrelang waren die Kakaopreise deutlich zu niedrig. Dadurch wurden keine Anreize geschaffen, robuste und produktive Kakaofarmen aufzubauen und zu betreiben. Viele Farmen bestanden aus sehr alten, nicht gepflegten Kakaobaumbeständen mit niedrigen Erträgen. Ein langfristiges Einpendeln des Kakaopreises auf einen Börsenpreis von über 3000-4000 USD/Tonne würde Kleinbäuer*innen helfen, ihre Fincas zu bewirtschaften, zu pflegen und neu auszurichten, wodurch sie am Ende deutlich bessere Erträge erzielen könnten.
7. Wie kann sich der Kakaoanbau trotz Krise wieder erholen?
Das System kann nur repariert werden, wenn der Kakaobörsenpreis nachhaltig und stabil über 3000-4000 USD/Tonne liegt. Dieser Preis ist nötig, um faire und langfristige Anreize für Farmer*innen zu geben, die Plantagen nachhaltig produktiv zu bewirtschaften. Gleichzeitig brauchen wir ein Umdenken der Konsument*innen hin zu mehr nachhaltig produziertem Bio-Kakao aus Agroforstsystemen. Diese Anbauform mit wertvollem Schatten durch andere Nutzbäume ist deutlich resilienter gegenüber dem Klimawandel. Monokulturen werden auf Dauer keine Chance haben, unter den geänderten Bedingungen zu bestehen.

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The Chocolate Journal

