Eine Forschungsreise zum Ursprung des Kakaos in Ecuador, Teil 1

Die Suche nach globaler Gerechtigkeit...

Text:
Jelena Radeljić, Eduard Fischer

Photography:
Jelena Radeljić, Eduard Fischer

28 Juni 2016

In unserer Serie nehmen euch unsere Gastautoren Jelena und Eduard mit auf eine Forschungsreise in die Ursprünge des Kakaoanbaus in Ecuador. Ein spannender Abenteuer-Mix aus wunderschönen Naturerfahrungen, erschreckenden Erkenntnissen und dem hautnahen Erleben einer Naturkatastrophe. Den Anfang macht Teil 1 "Die Suche nach globaler Gerechtigkeit", in dem ihr unsere beiden Forscher kennenlernt und mehr über ihr Expiditions-Vorhaben erfahrt.

Teil 1 - Die Suche nach globaler Gerechtigkeit

Habt ihr bei eurem letzten Einkauf bewusst nach einer Bio-zertifizierten Schokolade gegriffen? Und vielleicht darüber nachgedacht, woher diese Schokolade eigentlich kommt, wen oder was ihr damit unterstützt oder was biologischer Anbau überhaupt bedeutet? Wie kommt der Preis zustande und welcher Anteil davon kommt letztlich bei den KakaoproduzentInnen an?

Diese und noch mehr Fragen haben sich zwei Studierende des Masters „Global Change Management“ der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde gestellt und daraufhin in Kooperation mit VIVANI und der Weinrich Schokoladenfabrik ihr Forschungsjahr ausgerichtet. Das Ziel: Kakao-Handelssysteme mit ihren beteiligten Instanzen vom Ursprung der Bohne bis zur Produktion und Konsum der beliebten Schokolade zu untersuchen, um Antworten auf Fragen nach globaler Gerechtigkeit und gesunden Ökosystemen zu finden. Zentrale Forschungsfrage hierbei: Wie können Kakaohandelssysteme geschaffen werden, welche die Wohlstandsmöglichkeiten der zentralen Beteiligten fördern, ohne dabei die regenerative Kapazität des produzierenden Ökosystems zu unterminieren?

Für ihre Masterarbeit verbringen Jelena Radeljić (26) und Eduard Fischer (29) ein Jahr lang Zeit mit KakaoproduzentInnen in Ecuador, in der Schokoladenfabrik Weinrich, bei VIVANI und weiteren ExpertInnen in Deutschland und den USA. Im Rahmen eines ganz besonderen Specials im VIVANI-Blog teilen sie euch ihre Erfahrungen mit und nehmen euch mit auf die Reise in die spannende Welt des Kakaoanbaus. Wir übergeben das Wort an Jelena.

Vielleicht ist meine Leidenschaft für Schokolade meiner frühen Kindheit zuzuschreiben, in der ich einen Kindergarten besuchte, der direkt neben einer Schokoladenfabrik stand wo es ständig nach Schokolade roch. Diese Schokoladenfabrik hieß „Weinrich“ und produziert unter anderem die Bioschokoladen von VIVANI. Nach Auslandsaufenthalten und dem Studium „Internationale Entwicklung“ in Wien traf ich in meinem Masterstudium auf Eduard. Eduard studierte vorher bereits in Eberswalde Landschaftsnutzung und Naturschutz. Das Naturschutz-Studium hat ihm deutlich gezeigt, dass es stetig um die „Mensch – Natur“-Beziehung geht. Hierbei reicht seiner Meinung nach kleinteiliger Flächen- und Artenschutz oder sogar Prozessschutz nicht aus, wenn es größere globale Kräfte gibt die darauf einwirken. Globale Kräfte sind beim Thema Schokolade nicht wegzudenken. Die steigende Nachfrage nach Schokolade weltweit übt Druck auf die Kakao produzierenden Länder aus, die sich rund um den Äquator befinden. Denn nur hier, wo es ständig warm und feucht ist, wächst der Kakaobaum. Klimawandel und der ständig schwankende Kakaopreis, der an der New Yorker Börse entsteht (ja, wer weiß eigentlich wie?), machen es den Kakaobauern und -bäuerinnen schwer, ein verlässliches Einkommen zu generieren. Meldungen wie die, dass der Welt die KakaoproduzentInnen ausgehen und gleichzeitig der Bedarf an Kakaoprodukten steigt, geben vielen Schokoladen-Fans hinreichend Grund zur Sorge.

Und jetzt? Was für eine Schokolade kann man denn dann noch kaufen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben?

Dies ist komplex. Zertifizierungen sind im aktuellen System häufig schon mal ein erster Schritt. Aber eben nur ein erster, auf den ein zweiter und dritter folgen kann. Welcher denn? Mögen sich einige LeserInnen nun fragen. Diese Frage beschäftigt auch Eduard und mich, sowie den Schokoladenproduzenten Weinrich und den Bio-Hersteller VIVANI. Wie gesagt, es ist komplex. Im Masterstudium „Global Change Management“ haben Eduard und ich gelernt, komplexe globale Prozesse und Dynamiken zu analysieren und zu verstehen, um mögliche Lösungsansätze zu entwickeln. Im besten Fall gemeinsam mit den beteiligten Akteuren. Hier haben wir das große Glück, dies mit Unterstützung von Weinrich und VIVANI tun zu können. Die Perspektive der ProduzentInnen, der Industrie und weiterer ExpertInnen sind zentraler Bestandteil der Forschungsarbeit und sollen dabei helfen, den Kakaosektor in eine Richtung zu lenken, die es den Schokoladenliebhabern möglich macht, nach bestem Gewissen qualitative Schokolade zu vernaschen – authentisch hergestellt, in deren Wertschöpfungskette alle Beteiligten tatsächlich zufrieden sind.

Im März und April waren Eduard und ich zwei Monate lang in Ecuador im Ursprung des Kakaos unterwegs, wo wir nicht nur Kakaoanbausysteme besuchten und Interviews und Workshops mit den KakaoproduzentInnen machten, sondern auch bei den Familien gelebt haben und so einen tiefen Einblick in den Alltag derjenigen bekamen, die tagtäglich dafür sorgen, dass das Bedürfnis der Welt nach gutem aromatischen Kakao befriedigt wird.

Insgesamt haben wir während der zwei Monate 11 Kakaokooperativen und -Projekte besucht und noch weitere Experten von der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), der FAO (Food and Agriculture Organization der UNO), dem ecuadorianischen Agrarministerium (Nationales Kaffee- und Kakaoprogramm) sowie Zertifizierungsorganisationen getroffen.

Während ich vor meinem Ecuador-Aufenthalt den Februar bei Weinrich in der Schokoladenfabrik verbrachte – nein, ich aß nicht nur den ganzen Tag Schokolade, sondern lernte die hohe Kunst der Schokoladenproduktion von der Bohne zur Tafel genau kennen und auch die täglichen Herausforderungen eines Schokoladenunternehmens – war Eduard schon seit Wochen auf dem Weg von Berlin nach Ecuador. Und dies so CO2 arm wie möglich per Anhalter. Wo es keine Straßen und Autos mehr gab, da suchte er nach Segelbooten, die ihn bis in die Karibik brachten.

Aber hiervon berichten wir euch in Teil 2 dieser Serie…

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