Fragmento de disco de Oldenburg

Eine Initiative wider den Wegwerfwahn

Text:
Katharina Kuhlmann

Photography:
Michel Bundel

20 de junio de 2016

Zukünftig möchten wir im VIVANI Blog öfters auch mal generelle ökologische Themen anreißen und euch Vorzeigeprojekte nachhaltigen Handelns vorstellen. Initiativen, wie die Oldenburger Schnippeldisko, die Ende Juni bereits zum zweiten Mal an den Start geht. Unter dem Motto "Krummes Gemüse, heiße Beats" setzen die, von der Slow Food Youth Deutschland unterstützten Veranstalter ein Zeichen gegen die heutige Wegwerfkultur. Im Rhythmus tanzbarer Klänge wird all das geschnippelt, geschruppt und gekocht, was eigentlich in den Abfalltonnen deutscher Supermärkte landen würde. Ein kollektives Erlebnis ohne gehobenen Zeigefinger, das den Spaß am Lebensmittel feiert und das Bewusstsein für vermeidbare Verschwendung schärft. Wir haben eine der Initiatorinnen gesprochen...

Interview mit Hannah Jansen von der Schnippeldisko Oldenburg

VIVANI

Hannah, erzähl doch mal, wie seid ihr auf die Idee einer Schnippeldisko gekommen?

Hannah Jansen

Die Idee der Schnippeldisko hatte ursprünglich das Slow Food Youth Network, die Jugendbewegung von Slow Food. Sie ist als eine kulinarische Protestaktion zu verstehen, mit der auf die enorme Lebensmittelverschwendung aufmerksam gemacht werden soll, die in unserer Gesellschaft leider an der Tagesordnung ist. 11 Millionen Tonnen Lebensmittel wandern pro Jahr in Deutschland in den Müll – diese unglaubliche Zahl ermittelte beispielsweise eine Studie der Universität Stuttgart 2012 im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Angesichts dieser Dimensionen wollen wir ein Zeichen setzen, und zwar nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Ganz im Gegenteil: Mit Spaß und Genuss wollen wir unter dem Motto „Krummes Gemüse, heiße Beats“ zeigen, dass krummes Gemüse keinesfalls in die Tonne gehört, sondern wunderbar gut schmeckt!

VIVANI

Die Schnippeldisko findet in diesem Jahr bereits zum 2. Mal statt. Was können die Besucher erwarten?

Hannah Jansen

Dieses Jahr wird die Oldenburger Schnippeldisko noch ein wenig bunter und abwechslungsreicher. Neben der eigentlichen Schnippelei, an der natürlich alle herzlich eingeladen sind, teilzunehmen, wird es dieses Jahr ein buntes Rahmenprogramm geben, mit Aktionen, Spielen und Ausstellungen zum Thema Lebensmittelverschwendung und ‑wertschätzung. Diese wurden im Rahmen eines Praxisprojekts an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg entwickelt, an dem ca. 20 Studierende der Masterstudiengänge Landschaftsökologie und Sustainability, Economics and Management teilnehmen. Während das krumme Gemüse verarbeitet und anschließend verköstigt wird, sorgen ein DJ und zu späterer Stunde gleich zwei Bands für die „heißen Beats“.

VIVANI

Ihr engagiert euch mit diesem Event gegen die deutsche Wegwerfkultur und wollt die Menschen wachrütteln, weniger Lebensmittel wegzuschmeißen. Worüber kannst Du nur den Kopf schütteln, wenn Du Dir manchen deutschen Verbraucher anschaust?

Hannah Jansen

Besonders traurig macht mich die Achtlosigkeit, mit der manch eine*r durch das Leben geht. Lebensmittel ernähren uns, sie führen uns Nährstoffe und Energie zu. Gerade deswegen ist es doch wichtig darüber nachzudenken, was man zu sich nimmt und einkauft. Mir missfällt die Billig-Kultur, die sich in Deutschland eingeschlichen hat. Hauptsache Sonderangebot, was genau da drin ist, scheint vielen egal. Viele sollten öfter mal hinterfragen, wie z.B. die Marken, die wir uns ins Haus holen, ihre Produkte herstellen. Und mal darüber nachdenken, was für eine Vielfalt in unserer Region angebaut und produziert wird. Auch, dass ein täglicher Fleischkonsum für viele nach wie vor zu der guten Küche gehört, finde ich traurig. Denn man kann sich wundervoll vegetarisch oder gar vegan ernähren – man braucht vielleicht (anfangs) nur etwas mehr Phantasie. So lernt man Lebensmittel kennen, die man vorher vielleicht noch nie in der Hand hatte und unzählige neue Möglichkeiten tun sich auf.

VIVANI

Wie ist Deine Meinung zum Thema „Mindesthaltbarkeit“?

Hannah Jansen

Generell ist es nicht verkehrt dem Verbraucher anzuzeigen, wie lange ein Produkt genießbar ist. Man kann ja nicht alles wissen. Aber so, wie das „Mindesthaltbarkeitsdatum“ heute von vielen verstanden wird, ist es einfach ein falsches Signal. Viele meinen ja, dass ein noch geschlossener Joghurt umgehend in die Tonne gehört, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum den gestrigen Tag anzeigt. Es braucht meiner Meinung nach eine neue Art der Kommunikation, damit jeder weiß, was es mit diesem Datum auf sich hat.

VIVANI

Generell scheint es aktuell einen Ruck unter Jugendlichen zu geben, sich gesünder zu ernähren. Auch diverse soziale und politische Themen spielen hier rein. Woher meinst Du kommt der neue Trend und wie wird sich das Ganze entwickeln?

Hannah Jansen

Gesunde Ernährung wird tatsächlich immer mehr ein Thema. Gerade in Oldenburg ist zu spüren, dass sich viele Menschen damit auseinandersetzen und sich gesunde Lebensmittel wünschen. Es gibt Initiativen wie Food-Coops oder eine SoLaWi, die sich gerade gründet. Ich weiß nicht, ob ich dies als einen Trend beschreiben würde, eher als eine Bewegung. Die Menschen besinnen sich wieder auf das Wesentliche. In der schnelllebigen Zeit, in der wir leben, haben viele Lust, etwas so elementares wie die Ernährung zu genießen und bewusst zu erleben. Vielen wird klar, dass es doch eigentlich Quatsch ist, Äpfel in rauen Mengen aus z.B. Neuseeland nach Deutschland zu karren, obwohl diese Frucht doch heimisch bei uns ist. Und vielen werden endlich die ökologischen Grenzen unseres Planeten bewusst. Wenn wir unsere Gewohnheiten nicht schleunigst flächendeckend ändern, werden uns bald die Böden, die Frischwasserquellen und vielleicht auch die Luft ausgehen. Es bleibt also zu hoffen, dass die Bewegung immer größere Kreise zieht!

VIVANI

Welchen Stellenwert haben Lebensmittel und Ernährung für Dich?

Hannah Jansen

Ernährung hat einen großen Stellenwert für mich. Ich koche gerne, lerne gerne neue Gerichte und Zutaten kennen und probiere immer neue Dinge aus. Seit einigen Jahren ernähre ich mich weitgehend vegetarisch, oft auch vegan. Ich möchte wissen, wo mein Essen herkommt und was ich meinem Körper zuführe. Auf der Terrasse in meiner WG pflanzen wir inzwischen unser eigenes Gemüse an. Wenn ich einkaufe, achte ich im Rahmen meiner Möglichkeiten auf eine nachvollziehbare und vertretbare Herkunft der Produkte. Ich gehe z.B. gerne auf einen der vielen Märkte in Bremen, um Gemüse und Obst zu kaufen.

VIVANI

Welchen persönlichen Beitrag leistest Du in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit neben der Schnippeldisko?

Hannah Jansen

Ich studiere gerade an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg im Master Sustainability Economics and Management. Dieser Studiengang ist im Kern wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtet, aber versucht eben Ökologie und Soziales genauso mitzudenken und ist darauf angelegt, dass Absolventen nach ihrem Abschluss auch in ihrem Beruf nach diesem Dreiklang handeln. Während des Studiums habe ich mit einer Gruppe von Kommiliton*innen eine Workshop-Konferenz zum Thema Nachhaltigkeit organisiert und veranstaltet (http://www.nachdenkstatt.de/). Ich bin Mitglied beim BUND und unterstütze Sea Shepherd, die z.B. regelmäßige „Beach CleanUps“ organisieren, bei denen man Gebiete in seiner Umgebung durchstreift und den herumliegenden Müll aufsammelt. Im Alltag achte ich darauf, so wenig unnötige Dinge wie möglich zu konsumieren, indem ich beispielsweise ab und zu bei Kleidertauschpartys nach neuen Klamotten stöbere, statt mir ständig was Neues zu kaufen. Und das mit dem Fliegen versuche ich mir auch zu verkneifen.

VIVANI

Was denkst Du müsste sich in diesem Land dringend ändern?

Hannah Jansen

Ich denke, dass die Menschheit im Ganzen wieder lernen oder wahrnehmen sollte, dass wir nicht über diesen Planeten herrschen, sondern Teil unserer Umwelt sind. Mir missfällt die Einstellung vieler, dass der Mensch über allem steht und alle anderen Geschöpfe oder auch Ressourcen nur zu unserem Diensten/Nutzen da sind. Das gilt auch für den Preis von Lebensmitteln. Viele Ernteabfälle entstehen nur dadurch, dass die Arbeitskraft meist schlicht zu teuer ist, um die gesamte Ernte einzuholen. Die heutigen Dumping-Preise der Endprodukte tragen dazu ihr Übriges bei. Wenn alle nur etwas mehr Bewusstsein dafür entwickelten und achtsamer mit sich und ihrer Umwelt umgingen, dann liefe schon einiges besser.

Fragmento de disco de Oldenburg

Datum: Samstag, 25.06.2015
Uhrzeit: 14:00h
Ort: Kulturetage, Bahnhofstraße 11, 26123 Oldenburg
Facebooklink: facebook.com/SchnippeldiskoOL

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