Nachgefragt:
Wie erkennt man einen guten Kaffee?

Ein Gespräch mit dem Kaffee-Experten Thomas Brinkmann

Text:
Katharina Kuhlmann

Photography:
Thomas Brinkmann, istock baranozdemir

26 Oktober 2016

Was muss man beachten, wenn man guten Kaffee kaufen möchte, wie wichtig sind zertifizierte Kaffees, was muss man in Punkto Nachhaltigkeit bei dem kleinen Schwarzen bedenken und wie gut passen Kaffee und Schokolade eigentlich zusammen? Nach unserer eigenen Info-Reihe „From Bean to Bean – Kaffee und Schokolade“ freuen wir uns heute ganz besonders, euch diese und weitere Fragen aus Sicht eines wahren Experten beantworten zu können. Thomas Brinkmann, Gründer der Kaffeeschule-Hannover, hat sich unseren Fragen gestellt und bietet spannende Einblicke in die Welt der Profis. Vielen Dank Herr Brinkmann!

VIVANI

Herr Binkmann, Sie sind Kaffeeliebhaber mit Leib und Seele. Um Sie besser kennenzulernen interessiert uns natürlich: Mögen sie auch Schokolade? Welche Sorten bevorzugen Sie? Und: Wie trinken Sie am liebsten Ihren Kaffee?

Thomas Brinkmann

Kakao und Schokolade haben viele Gemeinsamkeiten. Daher ist es nicht so abwegig, wenn man als Kaffeeliebhaber auch eine Schwäche für Schokolade hat. Ich bevorzuge dunkle Schokoladen, die – ähnlich wie ein guter Kaffee – von Haus aus fruchtige Noten mitbringt.

VIVANI

In unserem Aktionsmonat dreht sich alles um die Kombination von Schokolade und Kaffee? Wo sehen Sie interessante „Foodpairing“-Ansätze?

Thomas Brinkmann

Persönlich bin ich eher Purist und genieße lieber getrennt. Wobei nichts dagegen spricht, zum Kaffee ein gutes Stück Schokolade zu reichen.

VIVANI

Haben Sie schon einmal einen „Coffee in a Cone“ getrunken? Was halten Sie von dem derzeitigen Trend, den ein Barista aus Südafrika erfunden hat?

Thomas Brinkmann

Nein, tut mir leid, habe ich noch nicht getrunken. Ich denke, Kaffee gehört in Porzellan und nicht in Eistüten oder Pappe. Aber dem Barista ist es durchaus gelungen, dadurch Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erzielen – für sich und vor allem für unser aller Lieblingsgetränk: Kaffee!

VIVANI

Kaffee und Schokolade sind eine beliebtes Paar. Warum harmonieren ihre Aromen auf unserer Zunge so wunderbar?

Thomas Brinkmann

Wie vorhin schon erwähnt: Kaffee und Kakao haben sehr viele Gemeinsamkeiten, z. B. die Vielzahl der Aromen und Säuren, die belebende Wirkung durch Koffein (Theobromin), die feine Harmonie zwischen Süße, Säure und Bitterkeit in Verbindung mit dem Körper / Schmelz.

VIVANI

Herr Brinkmann, wenn ich einen guten Kaffee trinken möchte, was muss ich beim Kauf beachten? Ist es wichtig, auf Siegel wie Bio oder Fairtrade zu achten? Welchen Preis muss ich für ein gutes Pfund geröstete Bohnen veranschlagen? Muss gute Qualität immer teuer sein?

Thomas Brinkmann

Siegel sind nicht wichtig, können allerdings ein wenig Sicherheit vermitteln. Über die Qualität des Produktes sagen sie jedoch nichts aus. Die Frage nach der Qualität ist schwierig zu beantworten. Ein Experte beurteilt die Qualität häufig nach anderen Kriterien als ein Verbraucher. Daher würde ich jedem empfehlen, sich mit anderen Kaffeeinteressierten auszutauschen, vielleicht an Verkostungsveranstaltungen (sogenannte Cuppings) von Kollegen aus der Spezialitätenkaffeebranche teilzunehmen (z. B. in der Kaffeeschule-Hannover) und so einen Eindruck zu erhalten, was eine gute Qualität aus Expertensicht ist. Ansonsten gilt, es entscheidet der persönliche Geschmack!

Die Frage nach dem Preis kann man auch beim Kaffee wie bei jedem anderen Produkt beantworten. Man kann keine gute Qualität zum Discountpreis erzeugen, allerdings ist es durchaus möglich für „Schrott“ sehr viel Geld zu bezahlen.

VIVANI

Was halten Sie vom Konzept des Direct Trade gegenüber Fair Trade? Muss ich denn nicht unbedingt „fair“ kaufen, damit Bauern mehr verdienen?

Thomas Brinkmann

Das ist eine Frage die ich nicht kurz beantworten kann. Eine Antwort würde hier ein mehrseitiges Dossier ergeben. Kurz: In beiden Fällen handelt es sich um ein Marketingtool. Direct Trade erfordert mehr Kommunikation und Dokumentation an den Kunden, da die Bedingungen nicht klar gefasst sind. Dies lässt sich meiner Meinung nach nur als Kleinröster leisten, bei dem ein direkter Kontakt zum Kunden besteht. Fair Trade hat den Vorteil, dass es klare Bedingungen gibt und somit für den Kunden schneller (im Supermarkt) zu erfassen ist.

Meine persönliche Meinung geht ganz klar in Richtung Direct Trade, da hier meistens beide Seiten gewinnen: Der Farmer erhält zumeist einen wesentlich höheren Preis als bei Fair Trade und der Verbraucher bekommt einen deutlich besseren Kaffee (Qualität).

VIVANI

Wenn ich nicht grade zum Barista ausgebildet bin – was muss ich beachten, um einen „guten“ Kaffee zuhause aufzubrühen? Brauche ich hierfür unbedingt teures Profi-Equipment?

Thomas Brinkmann

Kommt darauf an, ob ich Brühkaffee oder Espresso zubereiten möchte. Für Brühkaffee reicht ein geeigneter Filter (Hario, Chemex, French Press,….), eine Waage, Mühle und ein Wasserkocher, d. h., das Equipment liegt unter 200 €. Für Espresso brauche ich halt eine Maschine. Und hier geht die Preisspanne weit auseinander. Wenn man wirklich gut damit arbeiten möchte, ist man im vierstelligen Bereich.

VIVANI

Zum Thema Nachhaltigkeit: Was kann ich als Kaffeetrinker tun, um die Umwelt zu schützen? Reicht der Blick aufs Bio-Siegel? Soll ich auf spezielle Anbauländer achten?

Thomas Brinkmann

Als Verbraucher habe ich immer eine Verantwortung für das was ich tue. Also auch beim Kaffeeeinkauf. Ich muss mich, soweit es meine Möglichkeiten zulassen, erkundigen. Ein Biosiegel hilft, schließt aber die Bauern aus, die sich ein Siegel nicht leisten können, trotzdem aber ökologisch produzieren. Für den Verbraucher heißt das: Produkte kaufen, die nachverfolgbar sind. Das können Siegel sein, es kann aber auch die Kommunikation durch den Röster/Händler sein. Vielleicht eine genaue Farmangabe oder das Beneficio.

VIVANI

Auch wenn es schwer fällt – wäre es sinnvoll, den enormen Kaffeekonsum, den wir hierzulande betreiben, zu reduzieren? Das Kaffeetrinken wieder zu einem exklusiveren Moment machen, wie es noch bei Großmutter war? Weg vom „Coffee to go“ auf Tastendruck, um Ressourcen zu schonen? Oder wäre das eine Existenzbedrohung tausender Kleinbauern? Ein Teufelskreis?

Thomas Brinkmann

Der Markt reguliert sich von selbst. Wir sind derzeit auf dem Weg, dass Kaffee wieder ein Luxusprodukt wird. Zumindest Kaffee, wie wir ihn heute als hochwertigen Kaffee bezeichnen würden. Die Erntemengen stagnieren, bedingt durch den Klimawandel. Anbauflächen für Arabica gehen zurück. Die Verbrauchernachfrage steigt derzeit noch. Nicht zuletzt durch neue Märkte (China, Indien), die verstärkt Kaffee nachfragen. Wir werden sicherlich in Zukunft noch stärker mit zwei Segmenten im Kaffeebereich konfrontiert werden: 1. Der Mainstreamkaffee, der nach wie vor billigst im Supermarkt angeboten wird. Hier werden die industriellen Fertigungen weiter optimiert, so dass wir vielleicht, wie auch heute schon zum Teil, nicht mehr reinen Kaffee im Paket haben, sondern Beimischungen von z. B. Maltodextrin oder vaporisierter Billigrobusta. 2. Den Bereich des Spezialitätenkaffees, der sicherlich auch in Deutschland noch ein wenig wachsen wird. Hier werden dann aber Kilopreise von 30 bis 50 € sicherlich die Regel werden. Ich würde mich freuen, wenn meine Prognose nicht oder nicht allzu bald eintrifft!

VIVANI

Abschließend: Wo sehen Sie die aktuellen Trends im Kaffee-Segment?

Thomas Brinkmann

Derzeit sind die Trends ganz klar noch (oder wieder) das Handbrühen. Zusätzlich sehen wir vermehrt die Coldbrews auf den Markt kommen (kalt gebrühte Kaffees), die es mittlerweile auch schon in Flaschenabfüllungen gibt. Ferner finden wir immer mehr Produkte aus Kaffeenebenprodukten, wie z. B. Tee, der sowohl aus dem getrockneten Fruchtfleisch, als auch aus den Kaffeeblättern und Blüten hergestellt wird. Daraus wiederum stellt man Limonaden her, die es ebenfalls mittlerweile als Flaschenabfüllung gibt.

Thomas Brinkmann und die Kaffeeschule-Hannover

Der passionierte Kaffeeliebhaber Thomas Brinkmann (47) ist bereits seit 2002 auf dem Kaffeesektor tätig. 2005 machte er als gelernter Betriebswirt sein Hobby endgültig zum Beruf und gründete seine eigene Rösterei. Bereits ein Jahr später rief er die Kaffeeschule-Hannover ins Leben, die zum einen von der IHK und SCAE (Verband Speciality Coffee Association of Europe) zertifizierte Ausbildungskurse für Profis anbietet, zum anderen aber auch Veranstaltungen für interessierte Laien im Programm hat. Hiermit ist sie eine wichtige Weiterbildungsstätte für zukünftige Röster, Kaffeesommeliers und Barristas.

Thomas Brinkmann ist neben seiner eigenen Expertise im Kaffeesektor qualifizierter Ausbilder für diverse Angebote an der Kaffeeschule-Hannover sowie als Juror beim internationalen Wettbewerb „Cup of Excellence“ tätig. Bereits 2008 und 2009 wurde er als Deutscher Röstmeister ausgezeichnet.

 

kaffeeschule.com

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