Jubiläum – 25 Jahre Slow Food Deutschland

Von Italien aus und um die Welt – eine Bewegung für mehr Esskultur

Text:
Katharina Kuhlmann

Photography:
Manuel Hilscher | Klaus Wohlmann

27 Juni 2017

Morgens einen schnellen Coffee to go auf dem gehetzten Weg zur U-Bahn, mittags eine Pommes mit Currywurst unbekannter Herkunft am Imbiss um die Ecke und abends der Griff in die Tüte mit Knabberkrams vor dem flimmernden TV… Dieses Szenario ist leider in vielen Teilen der Gesellschaft gelebter Alltag und könnte nicht gegenteiliger zum Konzept des internationalen Vereins sein, der sich bewusst „Slow Food“ nennt. Vom Verein zur Erhaltung von Genusskultur und Tradition hat er sich zu einer ernährungspolitischen Organisation gemausert. Vor 25 Jahren wurde der deutsche Ableger der weltweiten Bewegung gegründet. Ein Jubiläum, das mit etlichen Veranstaltungen gefeiert wird und Anlass gibt, sich einmal etwas genauer mit dem Verein zu beschäftigen.

Alles begann in den 1980ern, als Mega-Konzerne wie McDonald’s die Welt überrollten und das schnelle Essen zwischendurch oder auf der Straße immer hipper wurde. Kein Wunder, dass sich in dem Land, das seit der Antike für seine Genusskultur bekannt ist, die erste Keimzelle gegen diesen Mainstream bildete. So kam bereits 1986 der Journalist und Soziologe Carlo Petrini aus dem norditalienischen Provinznest Bra zu der Ansicht, dass es so nicht weitergehen könne. Er begründete einen Verein zur Erhaltung lokaler Esskultur und die Förderung des kulinarischen Genusses verbunden mit einem bewusst moderaten Lebenstempo – die Geburtsstunde von Slow Food, damals noch unter dem Namen „Agricola“ (lat. für Bauer). Rasch stellten sich Erkenntnisse ein, die das Vereinsprofil weiter schärften. So kristallisierte sich vor allem ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Esskultur und nachhaltiger Lebensmittelerzeugung heraus. Seitdem setzte sich Slow Food für Umweltschutz, bäuerliche Landwirtschaft, traditionelles Lebensmittelhandwerk und faire Produktionsbedingungen ein.

Carlo Petrinis Idee einer besseren Welt für Alle durch die (Rück)Besinnung auf qualitativ gute, saubere und faire Lebensmittel (Grundsatz: buono, pulito e giusto) traf den Zeitgeist vieler Menschen, die sich nicht mit einer zunehmenden Verindustrialisierung der Ernährung und der damit verbundenen Zerstörung unseres Planeten und seiner Lebewesen abfinden wollten. Bis heute stieg die Mitgliederzahl der weltweiten Bewegung auf etwa 100.000 Menschen in mehr als 170 Ländern an. Neben der Arbeit auf nationaler Ebene gibt es mittlerweile viele internationale Großereignisse und Veranstaltungen, die Slow Food organisiert, wie z. B. die Fachmessen „Cheese“ in Bra oder „Salone del Gusto“ in Turin. Auch gibt es viele Projekte, z. B. die „Arche des Geschmacks“ und internationale Netzwerke, wie etwa „Terra-Madre“, die Verdienste der Slow Food-Bewegung sind. Weltweit erkennbar sind die Slow Fooder an ihrem roten Weinbergschnecken-Logo, das die Langsamkeit symbolisiert.

Slow Food Deutschland – mehr Mitglieder, mehr Inhalte, mehr Aktionen

Nach Italien war Deutschland das zweite Land, das Slow Food als Verein gründete. 1992 in Königsstein im Taunus vom Münchener Weinhändler und Verleger Eberhard Spangenberg initiiert, zählt der deutsche Vereinsableger mittlerweile rund 14.000 Mitglieder, die in etwa 85 Ortsgruppen organisiert sind. Diese nennen sich Convivien, in Anlehnung an das lateinische Wort convivium (Gastmahl, Festschmaus).

Im Laufe der Jahre kamen auch in Deutschland immer weitere Inhalte und daraus entstandene Projekte auf. Themen wie die Industrialisierung der Landwirtschaft, die Überfischung der Meere, Lebensmittelverschwendung oder artgerechte Tierhaltung sind nur einige Punkte, die Slow Food Deutschland umtreiben. Neben den Großveranstaltungen, wie z. B. der jährlich stattfindenden Stuttgarter Leitmesse „Markt des guten Geschmacks“, gibt es auch viele Aktionen im Kleinen, etwa die vielen Programme zur Ernährungsbildung quer durch alle Altersgruppen. Aber Slow Food bemüht sich im Besonderen, Kinder und Jugendliche als Zielgruppe abzuholen, um wichtige Grundsteine für das ganze Leben zu legen. Beispiele sind Kampagnen und Projekte unter dem Titel „Teller statt Tonne“ oder die Aktionsreihe „Schnippeldisko“ des Slow-Food-Youth-Netzwerkes. Beide Initiativen treten gegen die Lebensmittelverschwendung der Wegwerfgesellschaft ein.

25 Jahre Slow Food Deutschland – das Jubiläum

Die Geschichte von Slow Food ist eine echte Erfolgsgeschichte, was sich in der ungemein großen Zahl an Projekten, Ideen, Netzwerken und Aktionen sowie an der hohen Mitgliederzahl des internationalen Vereins zeigt. Mehr als nur ein Grund, ein Vierteljahrhundert Bestehen in Deutschland gebührend zu feiern. Dazu finden seit März und noch bis November 2017 bundesweit 25 besondere Veranstaltungen statt. Die Themen und Rahmen sind völlig unterschiedlich, hier geht es zur Veranstaltungsübersicht. Das verbindende Motto des Jubiläums lautet „25 Jahre Slow Food Deutschland – Weil uns die Zukunft des Essens und unserer Lebensmittelerzeuger wichtig ist“. Die Zeichen des Jubiläumsjahres sind demnach eindeutig auf Zukunftsorientierung gestellt – welche Produkte und Erzeuger tragen zu einem ökologisch nachhaltigen Lebensmittelsystem von Morgen bei?

VIVANI gratuliert Slow Food Deutschland ganz herzlich zum Festjahr! Auch wir freuen uns immer, wenn Menschen eine Tafel Schokolade mit Bedacht öffnen, ein Stückchen langsam auf der Zunge zergehen lassen und es zu schätzen wissen, wie viel Qualität, Arbeit, Herzblut und Genuss in einer solchen „Kleinigkeit“ liegen.

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